Die Stadt Saint-Etienne

Lage der Stadt in Frankreich

Saint-Etienne liegt 600 km südlich von Paris und 60 km südwestlich von Lyon am Ostrand des Zentralmassivs in etwa 600 m Höhe. Schnell (in etwa 30 Minuten) erreicht man in der Umgebung auch 1200 m Höhe etwa am Col de la République.

ein Blick über die Stadt Foto Y. Bézard


Die Entfernung zum Mittelmeer beträgt nur etwa 300 km, in knapp drei Stunden erreicht man mit dem TGV Paris.
Seit der Eingemeindung von St.-Victor im Jahre 1969 liegt Saint-Etienne an der Loire und hat am Stausee von Grangent sogar einen Yachthafen und einen Strand.

Verkehrsverbindungen

Es gibt einen Flughafen (St.-Etienne Bouthéon) mit allerdings nur nationalen und wenigen internationalen Charterflugverbindungen (etwa 45 Minuten Flugzeit nach Paris).
Der Flughafen Lyon Saint-Exupéry liegt etwa 60 km entfernt, von hier gibt es mehrmals täglich Direktverbindungen nach Düsseldorf und viele internationale Flüge.
Über die Autobahn A 47 erreicht man in 30 Minuten das Rhônetal und Lyon oder über die A 72 in etwa 1 1/2 Stunden Clermont-Ferrand.
Die erste Eisenbahnlinie Frankreichs führte 1827 von Saint-Etienne nach Andrézieux an der Loire und diente damals dem Kohletransport.

Klima

Trotz der Nähe zum Mittelmeer weist Saint-Etienne in den Wintermonaten ein rauhes, kontinentales Klima auf: mit Kälte und auch sehr oft Schnee. Der Sommer ist allerdings warm und relativ trocken und schon im Frühling spürt man den mediterranen Einfluss.

Saint-Etienne und Umgebung

Saint -Etienne ist Zentrum eines Ballungsraumes von etwa 340.000 Einwohnern; die Stadt selbst hat 170.000 Einwohner, sie ist die 14. größte Stadt Frankreichs.
Ähnlich wie Wuppertal liegt St.-Etienne in einem etwa 20 km langen in der Regel aber nur 2 bis 3 km breiten Tal.
In Saint-Etienne bestimmt nicht die Schwebebahn die Struktur der Stadt sondern die Straßenbahn: sie durchquert St.-Etienne von Nord nach Süd auf 12 km Länge. Inzwischen gibt es weitere Straßenbahn-linien, z.B. zum Hauptbahnhof Châteaucreux oder zum Krankenhaus Hôpital Nord.

la Grand’Rue Foto Y. Bézard


Ein Städteband zieht sich von Lyon kommend von Rive de Gier im Nordosten über Saint-Chamond, Saint-Etienne bis Firminy und Unieux im Südwesten.
Die Umgebung von St.-Etienne gleicht der von Wuppertal sehr: sie hat eine ähnliche geologische Entstehungsgeschichte. Es ist eine Mittelgebirgslandschaft mit weichen Höhenzügen und zahlreichen Tälern, in denen man etliche Talsperren findet. Die größte ist der Stausee von Grangent. Er staut die Loire seit 1957 auf 28 km Länge zu einem idyllischen See.
Saint-Etienne liegt in einem etwa 25 km langen Tal, das sich von Nordosten nach Südwesten erstreckt und zwar an einer Stelle, an der sich dieses Tal weit nach Norden bis nach Roanne öffnet.
Die erhebliche Bevölkerungsdichte von 2150 E./qkm zeigt deutlich, dass Saint-Etienne Mittelpunkt einer stark von der Industrie geprägten Landschaft ist.
Der Ausländeranteil beträgt 13,5 %, es gibt viele Migranten der 2.
und 3. Generation mit frz. Staatsangehörigkeit, hierunter sind viele Nordafrikaner und vor allem Menschen mit algerischen Wurzeln, die mehr als 50 % der Ausländer stellen.
Franzosen nennen St.-E. und Umgebung le pays noir, schwarzes Land, denn der Steinkohleabbau hat lange Zeit die entscheidende wirtschaftliche Rolle gespielt. Noch heute überragen zwei große Crassiers (Abraumhalden) die Stadt.

les Crassiers (die Kohleabraumhalden) inzwischen fast zugewachsen Foto Y. Bézard

Geschichte

Saint -Etienne verdankt seinem Namen dem heiligen Stephan, dem ersten christlichen Märtyrer. Seine Bewohner heißen Stéphanois. Die Stadt wurde 1195 zum 1. Mal urkundlich erwähnt, sie erhielt 1534 Stadtrecht. Lange Zeit blieb Saint-Etienne allerdings eine unbedeutende kleinere Stadt mit nur etwa 2000 Einwohnern, abseits des verkehrsreichen Rhônetals am Furan, der Wupper von Saint-Etienne, lange genau so schmutzig wie früher auch die Wupper. Im Stadtzentrum ist der Furan in einen unterirdischen Kanal gezwängt.

la Place du Peuple, les centre de la vieille ville Foto Y. Bézard


Erst im 16. J. begann ein allmählicher wirtschaftlicher Aufschwung.
Saint-Etienne weist eine lange handwerkliche Tradition auf: Eisen- und Stahlwaren aller Art (z.B. Messer, Nägel, Werkzeuge und Waffen) werden seit alter Zeit bis heute hier hergestellt.

Auch die Textil- und Bänderherstellung reicht lange in die Vergangenheit zurück (wie in Wuppertal) : wirtschaftliche Kontakte zwischen Textilindustriellen führten zur Gründung der Städtepartnerschaft zwischen Wuppertal und Saint-Etienne. Näheres hierzu findet man auf der Seite Chronologie der Städtepartnerschaft.
Die 1. Zunftgenossenschaft der Bandweber entstand 1603, St.-E. hatte damals 8400 Einwohner. Diese Zunft entwickelte sich schnell; schon 1669 zählte die Stadt 30 Fabrikanten mit über 700 Webstühlen und 1680 waren es schon 10.000 .
Um 1800 erwirtschaftete dieser Zweig 60 % des Gesamtumsatzes von Saint-Etienne.
Die Blütezeit lag Ende des 19. Jahrhunderts. Saint-Etienne war damals die Hauptstadt der Bandwirker. Bänder (les rubans) wurden in die ganze Welt exportiert. Zu dieser Zeit waren 24.500 Menschen mit der Herstellung von Bändern und Litzen aller Art beschäftigt.

Eine ebenso lange Tradition hat die Waffenherstellung.
Die erste Gildevereinigung der Waffenhandwerker schließt sich 1296 zusammen. Hergestellt werden seit 1535 Handfeuerwaffen und Gewehre für den frz.Staat.

la Cité du Design, hier stand früher die
Manufacture Nationale d’Armes de Saint-Etienne Foto Y. Bézard


1764 bekam eine Gesellschaft von 7 Waffenherstellern das Privileg der königlichen Waffenmanufaktur verliehen. Von da an ging der Weg steil nach oben:
1810 stellten etwa 200 Beschäftigte rund 72.000 Waffen her, um 1890 waren 10.000 Arbeiter in diesem Wirtschaftszweig beschäftigt. Waffen aus St.-E. wurden schon damals in die ganze Welt exportiert. Saint-Etienne war seit 1870 bis 1945 die Waffenschmiede der Nation.
Auch heute noch stellt die Waffenindustrie einen bedeutenden Wirtschaftszweig in der Region dar (GIAT Industrie). Aber auch die Herstellung von Jagdwaffen und Schmuckwaffen hat eine lange Tradition.

Auch die Eisenwarenherstellung hat in St.-E. eine vorindustrielle, handwerkliche Bedeutung. Um 1515 hatte Saint-Etienne etwa 2000 Einwohner, es gab schon 55 Schmiede, 1669 waren es 300 Messerschmiede. Hergestellt wurden Messer, Werkzeuge und Nägel.

Kohle wird in Saint-Etienne und Umgebung seit dem 12. J. abgebaut, aber lange Zeit (wie im Ruhrgebiet) nur regional als Hausbrand verwendet. Der Handel mit Kohle begann erst allmählich im 17. Jahrhundert. Im Winter 1794 kommt Kohle aus Saint-Etienne zum 1. Mal auf dem Wasserweg über die Loire nach Paris.
Den entscheidenden Impuls für den steilen wirtschaftlichen Aufstieg von St.-E. gab eben dieser Kohleabbau. Die Bevölkerungszahl stieg rasch an.
Die 1827 als erste französische Eisenbahnlinie von St.-E. nach Andrézieux an der Loire gebaute Eisenbahnverbindung trug hierzu wesentlich bei. 1836 wird in St.-E. 44 % der französischen Steinkohle gefördert. Eisen- und Stahlherstellung machen St.-E. schnell zum Schwerindustriezentrum Frankreichs. 1856 wird St.-E. zum Hauptort des Départements Loire.
Der Kohleabbau und die Folgeindustrie (Stahlwerke, Schmieden, metallverarbeitende Industrie) haben die Stadt nachhaltig geprägt, 1880 produzierten Stahlwerker hier ein Drittel allen frz. Stahls.
1978 hat allerdings die letzte Grube ihre Förderung eingestellt. Geblieben ist heute nur ein (allerdings hervorragendes) Bergbaumuseum.

le Puits Couriot, 1973 geschlossen,
heute Bergbaumuseum
2 Fotos Y. Bézard


Wichtig für die Erklärung des großen wirtschaftlichen Aufschwungs von St.-E. im 19. Jahrhundert war nicht zuletzt der große Erfindungsgeist seiner Menschen (wie in Wuppertal).

Erfindungen, die in Saint-Etienne gemacht wurden:

  • den 1. rohrförmigen Dampfkessel erfand Marc Seguin,
  • die Wasserturbine Benoît Fourneyron,
  • das Eisenbahnrad (aus Eisen) die Gebrüder Déflassieux,
  • die Nähmaschine Bathélemy Thimonnier.

Alles Erfinder aus Saint-Etienne.

Ab 1880 beginnt in St.-Etienne eine schwere wirtschaftliche Krise, der Kohleabbau wird unrentabler, vor allem aber gerät die Region in eine Abseitslage: die Hauptverkehrslinien (Eisenbahn und Straße) meiden Saint-Etienne wegen der Berge und wählen das Rhônetal.
Die nun beginnende Industrialisierung in Deutschland, Italien und USA bringt den Verlust traditioneller Absatzmärkte.

Saint-Etienne heute

Bis heute ist die reconversion , die Umstrukturierung der Wirtschaft, das Merkmal der Stadt geblieben. Man verlegt sich in allen Wirtschaftsbranchen auf die Herstellung von hochwertigen Spezialprodukten, die heute typisch für Saint-Etienne sind:

  • Spezial- und Feinstähle, große Schmiedestücke für den Automobil- und Flugzeugbau
  • Herstellung chirurgischer Instrumente
  • Fahrräder
  • Werkzeuge, Elektrowerkzeuge, Maschinen (auch für Heimwerker) Getriebe, Zahnräder, – LKW Sitze, LKW Aufbauten und LKW Hebebühnen (Marrel)
  • Im Bereich der Textilindustrie spielen Bänder weiterhin eine wichtige Rolle, aber auch hier findet man eine Spezialisierung: Krawattenstoffe, Gummilitzen.

Weitere weltweit bekannte Qualitätsprodukte aus der Region Saint-Etienne sind:

  • Objektive von Angénieux (weltweit sind viele Fernsehkameras damit ausgerüstet, auch fast alle professionellen Filmkameras Selbst die NASA verwendet Objektive von Angénieux.
  • Glasfenster für Kirchen
  • Nahrungsmittel: es gibt mehrere Schokoladenfabriken und ansässig mit ihrer Firmenzentrale ist in St.-E. die große frz. Handels- und Supermarktkette Casino.

St.-Etienne ist bis heute eine Arbeiterstadt geblieben. Der Anteil der Arbeiter ist mit 52 % etwa 10 % Punkte höher als der von Lyon, es ist in Frankreich die Großstadt mit dem höchsten Arbeiteranteil. Es gibt zahlreiche Klein- und Mittelbetriebe. Saint-Etiennes Arbeiter gelten als gut ausgebildet, gewissenhaft und sparsam, sie streiken weniger als die im übrigen Frankreich.
Besonders nachteilig wirken sich in St.-E. zwei Charakteristika aus: man ist oft Zulieferindustrie für zahlreiche Großbetriebe (z.B. im Automobilbau) und die industrielle Struktur mit vielen Kleinbetrieben.

Seit 1969 ist Saint-Etienne Universitätsstadt.
Es besteht ein Kooperationsvertrag zwischen der Universität Saint-Etienne und der Bergischen Universität.
Schon seit 1816 besteht die Ecole des Mines, eine in Frankreich sehr bekannte und geschätzte Ingenieurhochschule.
Besonders stolz ist man heute auf den Titel Métropole du Design : seit 1990 gibt es die Ecole Supérieure d’Art et Design und seit 1998 alljährlich eine internationale Designmesse: Biennale Internationale Design.
Die Hochschule ist heute in der sehenswert revitalisierten Industriebrache der früheren Waffenfabrik Manufacture Nationale d’Armes untergebracht.

la Cité du Design Foto Y. Bézard


Der Empfangspavillon der Frankfurter Buchmesse 2017 wurde von Studierenden der Designhochschule entworfen und aufgebaut.

In kultureller Hinsicht hat Saint-Etienne einiges zu bieten:

  • das international bekannte Museum für moderne Kunst (hier hat z.B. Tony Cragg von Oktober 2013 bis März 2014 ausgestellt.)
Tony Cragg eröffnet seine Ausstellung im Musée d’Art Moderne 3 Fotos Y. Bézard
  • zahlreiche andere Museen
  • Musikkonservatorium
  • ein Theater- und Konzerthaus
  • ein großes Veranstaltungszentrum für Konzerte und andere Events, das Zénith (bietet bis zu 5.500 Personen Platz)

Man sieht der Stadt an, dass sie im Kernbereich eine alte Industriestadt ist, die während des 2. Weltkrieges kaum Zerstörungen aufwies. Die Straßen sind hier sehr eng und verschachtelt.

Fußgängerzone in der Altstadt Foto Y. Bézard
Altstadt, Treppe zum Crêt de Roc Viertel (Foto Brinkmann)

Daher versucht man seit ein paar Jahren den Autoverkehr aus der Innenstadt zu verbannen und den Verkehr über Umgehungsstraßen um die Innenstadt herumzuleiten. Im Innenstadtbereich gibt es nur wenige größere Plätze und wenig Grünflächen. Trotzdem hat die Stadt hier einen gewissen Charme.
Und ins Grüne gelangt man sehr schnell, denn rings um den Stadtrand gibt es viel Natur und auch Freizeitangebote wie Segeln auf dem Lac von Grangent und Wandern, Radtouren oder Skisport in den ausgedehnten Wäldern.

le Barrage de Grangent Foto Y. Bézard
Foto Y. Bézard


In den Randgebieten der Innenstadt sind seit den 1950-er Jahren zahlreiche Wohnviertel entstanden mit den hierfür typischen Wohnblocks. Hier ist die Wohndichte sehr groß und einige dieser Viertel sind soziale Brennpunkte.

Seit 2010 wird in diesen Vierteln z.T. mit großem Aufwand reurbanisiert. So steht zum Beispiel das moderne Krankenhaus Hôpital Privé de la Loire auf dem Grundstück eines der größten, im Jahre 2000 abgerissenen Wohnblocks mit dem bezeichnenden Namen muraille de Chine (chinesische Mauer). Zahlreiche dieser Viertel haben sich seither stark verändert oder verändern sich noch: z.B. der Bereich um den Cours Fauriel in Innenstadtnähe, wo in die restaurierten Gebäude des insolventen Versandkataloghändlers Manufrance die Handelshochschule, ein Kongresszentrum und ein Planetarium eingezogen sind.

le Centre de Congrès Foto Y. Bézard

In großem Wandel befindet sich auch die Umgebung des Hauptbahnhofs. Hier fällt der Firmensitz der Supermarktkette Casino ins Auge.

Sport

L’ASSE, Les Verts (offiziell Association Sportive de Saint-Etienne) ist eine in Frankreich sehr bekannte Fußballmannschaft der 1. Liga.
Das Fußballstadion Geoffroy Guichard war Austragungsort von Europameisterschaftsspielen in den Jahren 1960, 1984 und auch 2016.
Auch Spiele der Weltmeisterschaft 1998 wurden hier ausgetragen.

Aber nicht nur im Fußball ist Saint-Etienne europäische Spitze, sondern auch im Turnsport: der Pôle France Gymnastique Saint-Etienne ist ein nationales Trainingszentrum, gefördert vom Sportministerium und von der Fédération Française de Gymnastique.

Gleiches gilt für den Radsport: aus ganz Frankreich kommen ambitionierte Radsportler nach Saint-Etienne, um hier unter spezieller Führung gefördert zu werden: Pôle Cyclisme Saint-Etienne.

Eine Fotogalerie zu Saint-Etienne befindet sich auf einer speziellen Seite unter Fotos von Saint-Etienne